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Das Leben der Anderen

Prof. Socher (HM) und Prof. Haungs (Cal Poly) tauschten für ein Jahr Arbeitsplatz, Haus und Autos. Zeit, Bilanz zu ziehen.
01/06/2017
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Raus aus dem Hamsterrad, weg von den vielen beruflichen und privaten, nicht immer wichtigen Verpflichtungen und den Kopf für neue Ideen freibekommen – das war die Motivation von Prof. Dr. Gudrun Socher, sich für ihr Freisemester um einen Professorenaustausch zu bemühen. Da kam die strategische Partnerschaft der Hochschule München mit der California Polytechnic State University in San Luis Obispo gerade recht, und der Kontakt zu Prof. Dr. Michael Haungs, der Pläne für sein anstehendes Sabbatical schmiedete.
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Die beiden Professoren lernten sich bei einem Austausch-Anbahnungstreffen an der Cal Poly kennen. "Michael wollte mit seiner Frau und zwei Töchtern für ein Jahr ins Ausland, ich gemeinsam mit meinem Mann und den vier Kindern. Unsere Lebenssituationen trafen sich perfekt", so Socher. Haungs schlug vor, nicht nur die Hochschule, sondern auch Haus und Autos zu tauschen. "Ich war zunächst etwas skeptisch", bekennt Socher. "Fremde Menschen in den eigenen vier Wänden?" Doch rückblickend war das der Idealstart in einem fremden Land: keine Extrakosten fürs Wohnen, das eigene Haus wird gehütet und – das allerwichtigste – man kann vor Ort in einem vollständig eingerichteten Haushalt sofort losleben.
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Erfahrungen für die ganze Familie
So reiste Familie Haungs auch nur mit ein paar Koffern an, als sie von Familie Socher im Juli 2016 in München-Pullach empfangen wurde: "Wir hatten den idealen Einstieg, lebten zwei Wochen lang mit den Sochers unter einem Dach, bekamen alles gezeigt: Wie die Technik im Haus funktioniert, wo die Schule unserer Töchter ist, wo die nächsten Biergärten liegen..." Und auch Familie Socher hatte in San Luis Obispo einen guten Start. "Meine drei jüngeren Kinder besuchen die öffentlichen Schulen, mein Ältester macht nach dem Abitur ein Gap Year", so Socher. Ihr Ehemann, Professor an der Hochschule Landshut, "überbrückt" das Jahr mit Beurlaubung und einem Industriesemester. So hatten sich alle schnell eingelebt. "Vielleicht mit Ausnahme meines Jüngsten, der zu Beginn unseres Kalifornien-Jahrs noch kein Englisch sprach, es aber dann erstaunlich schnell gelernt hat."
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Freisemester und Gastprofessur
Und wie finanziert sich so ein einjähriger Auslandsaufenthalt mit der ganzen Familie? Über eine Gastprofessur. Dank der strategischen Partnerschaft zwischen HM und Cal Poly war dies für beide Professoren möglich. Da ihre Vorlesungsfächer im Bereich Informatik allerdings differieren – Socher unterrichtet Software Engineering und Software Design, Haungs Game Design, Betriebssysteme und Interactive Entertainment Engineering – und Socher im Gegensatz zu ihrem Kollegen nur ein Freisemester und kein Freijahr beantragen konnte, organisierte sie ihre Vorlesungen an der Hochschule München für das zweite Auslandssemester im Tausch mit weiteren Kollegen der Cal Poly.
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Amerikanisches College versus deutsche Hochschule
Von dem Austausch profitieren nicht nur die beteiligten Lehrenden, sondern genauso die beiden Hochschulen. Schließlich bringen Socher und Haungs viele neue Impulse mit. "Die Studierenden an der Cal Poly leben ihr Studium. Da sie auf dem Campus wohnen und kaum jemand nebenbei arbeitet, hat die Hochschule einen ganz anderen Stellenwert als bei uns", berichtet Socher. "Das System ist verschulter, eine Vorlesung findet zwei- bis dreimal pro Woche statt, da hält man natürlich einen ganz anderen Kontakt zu den Studierenden." Daneben gibt es regelmäßige Prüfungen, nicht wie bei uns, wo alles Wissen einmal am Semesterende abgefragt wird. Sicher haben beide Systeme Vor- und Nachteile. Ein wenig von der "portionsgerechten" Wissensvermittlung möchte Socher auch für ihre künftigen Vorlesungen an der HM übernehmen. Haungs hingegen will seine Studierenden mehr zum freieren, kreativeren Arbeiten anleiten.
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Was die Grundordnung und die Organisation von HM und Cal Poly angeht, sind sich die Hochschulen sehr ähnlich: beide sind fortschrittlich, liberal und kosmopolitisch. Wahrscheinlich waren deshalb beide Professoren sofort im Hochschulleben und bei den neuen Kolleginnen und Kollegen integriert.
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Kultur und Ausflüge
Auch privat haben Socher und Haungs vielseitige Erfahrungen im jeweils anderen Land gemacht. "Bisher kannte ich von Kalifornien nur die Metropolen. Ich war überrascht, wie ländlich und teils auch abgehängt die kleineren Städte sind", bekennt Socher. Natürlich haben sie und ihre Familie die Wochenenden für viele Ausflüge zu den touristischen Highlights Kaliforniens genutzt. Im "kleinen Europa" gingen die Reisen sogar noch weiter: Die Haungs’ besuchten unter anderem Wien, London und Rom – und lernten München in all seinen Facetten kennen. Auf die Frage, ob sie diesen Austausch nochmal machen würden, antworten beide mit einem überzeugten: Ja!
Und worauf freuen sie sich am meisten zu Hause? "Bei aller Liebe zum bayerischen Bier: auf ein kalifornisches Craft Beer und echtes mexikanisches Essen", schmunzelt Haungs. Und Socher ergänzt: "Nach unserem eher ländlichen Jahr in Kalifornien freue ich mich sehr auf die Großstadt München und ihr Kulturprogramm – und auf einen bewusst langsamen Wiedereinstieg in den Alltag!"
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Bildergalerie
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Strategische Partnerschaft: Cal Poly und HM
Bereits seit 1997 ist die California Polytechnic State University in San Luis Obispo Partnerhochschule der Hochschule München. Die Koopera¬tion verhalf schon vielen Studieren-den und Lehrenden zu einem Aufent¬halt in den USA bzw. in Deutschland. 2015 wurde die Zusammenarbeit noch intensiviert: Eine vom DAAD geförderte strategische Partnerschaft ermöglicht unter anderem gemein¬same Projekte in Forschung und Lehre sowie verstärkten fachlichen und interdisziplinären Austausch.
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Daniela Hansjakob