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Pharmakologisch wirksame Beschichtungen

Kooperation der Hochschule München mit dem Universitätsklinikum Schleswig Holstein
12/08/2015
Im Labor für Oberflächenveredelung und Dünnschichttechnik werden Prozesse entwickelt, die Oberflächen durch Beschichten oder Strukturieren verändern. Im Rahmen zweier Promotionen und einer Kette von Abschlussarbeiten wurde ein Baukastensystem zum modularen Aufbau von Beschichtungen auf 3D-Substraten aus organischen Polymeren entwickelt. Der Fokus der Forschung liegt auf pharmakologisch wirksamen Beschichtungen von Medizinprodukten.
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Diese Sandwichstrukturen bestehen aus Wirkstoffdepots, welche von einer retardierenden, gezielt porösen Schutzschicht aus Parylen eingeschlossen sind, einem von der FDA zugelassenen Polymer. Die Depotschicht besteht im Falle von Kathetern oder auch Hohlkugeln aus Silber, das antibakteriell wirkt, im Falle von Koronarstents aus Rapamycin, einem Wirkstoff der roten Eibenbeere, der eine erneute Gefäßverengung unterdrückt.
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Antibakterielle Urinalkatheter
In beiden Fällen bestehen die Depots aus Inselstrukturen, zwischen denen die Schutzschicht direkt auf das Substrat aufwächst. Dadurch wird die Haftung des Gesamtsystems verbessert. Aber selbst wenn einzelne Depots sich vom Substrat ablösen, bleibt das ein lokales Ereignis ohne gravierende Folgen für das Gesamtsystem.
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Dabei ist die Wirkstoff-Abgabe durch die Variation der Dicke der Deckschicht individuell einstellbar. Beim Einsatz als antibakteriell wirkender Blasenkatheter ist so eine höhere Dosis gegen eine akute Blasenentzündung, eine niedrigere dagegen als Prophylaxe vorstellbar – bei verlängerter Implantationsdauer. Hier ist zusätzlich eine Außenbeschichtung erforderlich, um auch während der Implantation aseptische Bedingungen zu garantieren.
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Eine Vielzahl von Methoden ist zur Bewertung der Sandwichschicht erforderlich: Die Haftung des Sandwichfilms muss gesichert sein. Die Durchlässigkeit des Schutzfilms für Silberionen muss genau bekannt und als Funktion der Filmdicke einstellbar sein. Er muss über die Tiefe des Katheters in gleichbleibender Schichtdicke aufgebracht werden. Die Abgaberate muss absolut mit physikalisch-chemischen Methoden über die Einsatzdauer gemessen werden. Da es sich um Konzentrationen dicht an der Nachweisgrenze handelt, müssen fortgeschrittene Verfahren eingesetzt werden (können). Entscheidend aber sind die mikrobiologischen Aussagen unterhalb der Toxizität, aber oberhalb der minimalen Konzentration, jenseits derer sich Bakterien entweder nicht mehr teilen oder absterben.
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Von der Invention zur Innovation
Das System, dessen innovative Ideen patentrechtlich abgesichert sind, ist nun reif genug, um ein erstes Produkt zu realisieren. Zusammen mit dem Kooperationspartner Urokink in Halberstadt hat die Hochschule München Finanzmittel vom BMWi erhalten, um aus dieser Invention ein neues Produkt zu gewinnen: in die Harnröhre zu implantierende Ballonkatheter mit garantierter Ausschaltung von Blasenentzündungen.
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Noch ambitionierter sind so genannte Ureterschienen, die in die Harnleiter eingesetzt werden, da bei ihnen das Verhältnis Querschnitt zu Länge wesentlich ungünstiger ist. Wenn das gelänge, wären dies Katheter, die mit großer Sicherheit eine Nierenentzündung verhindern würden. Während in Halberstadt der "Handshake" zum Produkt stattfinden wird, soll die Entwicklung der Ureterschienen parallel in einem Forschungslabor der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik stattfinden. Es handelt sich um die dritte Dissertation auf diesem Feld, die in Kooperation zwischen der HM und der Urologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein entsteht.
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Prof. Dr. Gerhard Franz
Leiter des Labors für Oberflächenveredelung und Dünnschichttechnik