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Wie steht es um das Vorwissen der Studierenden?

Mitte Januar fand der halbjährlich stattfindende Austausch von Lehrenden der MINT-Fächer statt
25/01/2016
Die von MitarbeiterInnen des HD MINT-Projekts organisierte Veranstaltung beschäftigte sich mit dem Thema „Entwicklung und der Stand des Vorwissens von Studienanfängern“. Damit wurde ein wiederkehrendes Thema der letzten Treffen aufgegriffen. Um eine Grundlage für eine vertiefte Diskussion zu dem Thema zu schaffen, wurden zwei externe Referenten eingeladen. Prof. Dr. Andreas Borowski von der Universität Potsdam und Prof. Dr. Martin Stämpfle von der Hochschule Esslingen präsentierten ihre Forschungsergebnisse zur Entwicklung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Vorwissens bei StudienanfängerInnen.
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An dem Austausch waren Dozierende und (wissenschaftliche) MitarbeiterInnen der Hochschule München sowie der Verbundhochschulen des HD MINT Projekts, ein angehender Gymnasiallehrer sowie die beiden Projektverantwortlichen vom Zentrum für Hochschuldidaktik – DiZ – in Ingolstadt beteiligt. Nach den Vorträgen kam es zu lebhaften und anregenden Diskussionen, die sich in der Pause und auch beim anschließenden gemeinsamen Abendessen fortsetzten.
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Das mathematische Vorwissen stagniert
In seinem Vortrag stellte Prof. Borowski die Ergebnisse einer deutschlandweiten Studie vor, die sich derzeit in Veröffentlichung befinden. In der Studie wurden die Ergebnisse eines umfassenden Einstufungstests der heutigen Studierenden mit denen der Studierenden im Jahr 1978 verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass das mathematische Vorwissen – zumindest im untersuchten Zeitraum von 34 Jahren – stagniert. Die Mittelwerte der Ergebnisse im mathematischen Teil des Tests weichen nur minimal voneinander ab. Es gibt allerdings eine beobachtbare Tendenz, dass manche Fragetypen heutzutage besser, andere schlechter beantwortet wurden. Dies spiegelt die Anpassung der Lehrpläne wieder, in denen aktuell der Schwerpunkt stärker auf der Umsetzung und Anwendung, und weniger im Faktenwissen liegt. Vor allem im physikalischen Teil des Tests macht sich dieses fehlende Faktenwissen bemerkbar.
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Als möglichen Grund für den Eindruck vieler Dozierenden, das mathematische Vorwissen würde abfallen, nannte der Referent die massive Steigerung der Anzahl Studierender, die zwangsläufig zu einer größeren Varianz der individuellen Ergebnisse führt. Womöglich fällt in Veranstaltungen das Augenmerk also auf die schwächeren Studierenden. Es dürfe als Konsequenz aber das Niveau nicht auf die Schwächsten angepasst werden, da dies die Stärkeren unterfordern und demotivieren würde. Vielmehr müsse ein stärkerer Fokus auf die didaktische Methodik der Veranstaltung fallen, um sowohl schwächere als auch stärkere Studierende bedarfsgerecht zu fördern. Diese didaktische Anpassung sei außerdem nötig, da die Auswertungen zeigen, dass das Klausurergebnis momentan sehr stark mit dem Ergebnis des Vortests korreliert ist, dass also genau die Studierenden Erfolg haben, die schon ein gutes mathematisches Vorwissen aus der Schule mitbringen.
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Vorwissen ist für den Studienerfolg entscheidend
An der Hochschule Esslingen gibt es seit 25 Jahren einen Vortest, den alle StudieneinsteigerInnen zu Beginn ihres Studiums ablegen. Seit 1994 werden die Daten auch digital erhoben und statistisch ausgewertet. Ergänzend dazu gibt es ein Vorkursangebot, in dem die mathematischen Inhalte des Schulstoffs wiederholt werden. Die Inhalte der Vorkurse sind nicht auf die verschiedenen Zielgruppen angepasst, sondern umfassen ein Grundwissen in Mathematik. Auch hier zeigen Erhebungen der Daten, dass dieses mathematische Vorwissen für den Studienerfolg entscheidend ist. Wie auch schon bei den von Herr Prof. Borowski vorgestellten Daten lässt sich aus den über alle Studiengängen gemittelten Daten kein signifikanter Abfall im Vorwissen der Studierenden ableiten. Es gibt jedoch in manchen Studiengängen erkennbare Tendenzen.
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Als Ursache für diese Tendenzen vermutete der Referent Veränderungen in der Popularität des Studiengangs und die damit einhergehende Möglichkeit der Selektion der StudienanfängerInnen. Die Ergebnisse der Vortests geben auch Aufschluss über die Zusammensetzung und Vorausbildung des Publikums. So gibt es in manchen Ergebnisverteilungen zwei Maxima, die auf eine besonders diverse Zielgruppe hindeuten. Diese Daten werden den Dozierenden der Veranstaltung zur Verfügung gestellt, so dass die Veranstaltung an das jeweilige Publikum angepasst werden kann. Dazu sollte an der Hochschule jedoch eine didaktische Unterstützung existieren.
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Rückmeldungen und Fazit
Die überwiegende Mehrheit der Rückmeldungen der Dozierenden sowie der anderen am Austausch Beteiligten war sehr positiv: Die Auswahl des Themas, die spannenden Vorträge sowie der Ablauf der Veranstaltung wurden sehr gelobt. Ein Dozent gab an, die Ergebnisse an die anderen Mitglieder seiner Fakultät herantragen zu wollen, die nicht zum Austausch erschienen waren. Auch die beiden Referenten selbst gaben an, von der Veranstaltung profitiert zu haben und wichtige inhaltliche Impulse bekommen zu haben.
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Beide Dozenten empfahlen die Einrichtung einer hochschuldidaktischen Position, die die Dozierenden ausgehend von den Ergebnissen eines vereinheitlichten mathematischen Vortests zielgerichtet dabei unterstützt, die Veranstaltung methodisch und inhaltlich auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Studierenden zuzuschneiden. Auf diesem Wege könne die starke Korrelation der Anfangsergebnisse in den Vortests mit den Abschlussnoten der Klausuren beziehungsweise mit dem gesamten Studienerfolg abgeschwächt werden und alle Vorwissensstufen der Vorlesung individuell gefördert werden um so die Erfolgsquote der Studierenden in MINT Fächern nachhaltig zu fördern.
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Ein weiterer fächerübergreifender HD MINT Dozierendenaustausch findet im Sommer statt.
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Janina Gertis,
Projekt HD MINT