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Für die Menschlichkeit

Der Film "Iuventa" und die anschließende Diskussion im HM Kino beleuchteten das Thema Flüchtlingsrettung
02/01/2019
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Das Rettungsschiff "Iuventa" ist zu einem Symbol geworden: Für Menschlichkeit und Mut. Die Initiative "Jugend rettet" nutzte den umgebauten Fischkutter für die Seerettung von Flüchtlingen im Mittelmeer – den Namen "Iuventa" erhielt er von den römischen Gottheiten der Jugend und des Mutes. Wenn die "humanitäre Flotte" auf die mit Flüchtlingen vollgestopften Schlauchboote traf, mussten alle schnell handeln und an einem Strang ziehen, jeder auf seinem Posten. Das Screening der Dokumentation und die anschließende Podiumsdiskussion organsierten Fin Kahlke, Florian Gronau und das restliche HM-Kino-Team.
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Florian Stadler filmte viele der eindrucksvollen Filmbilder mit einer um den Kopf geschnallten GoPro-Kamera. Teilweise mussten Leute auf dem Boden des Schlauchboots reanimiert werden oder konnten nur noch tot geborgen werden. "Eine der Toten, die wir an Bord genommen haben, war schon seit vielen Tagen tot. Sie war hingefallen und auf dem Boden des Boots ertrunken, da sich die Bootsinsassen aufgrund des Platzmangels nicht bewegen konnten. So lag sie dort mehrere Tage", erinnert sich Benedikt Funke, Kapitän der Iuventa, in der Diskussion im Anschluss.
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Beschlagnahmung ohne Anklage
Trotz der anfänglichen "Amateurhaftigkeit", wie das Team selber sagt, war der Erfolg ihrer Arbeit groß: Während der ersten zweiwöchigen Mission in der Rettungszone vor der Küste Libyens konnten sie rund 2.000 Menschen retten. Insgesamt hat die Nichtregierungsorganisation (NGO) in den zwei Jahren, in denen sie aktiv sein konnte, 14.000 Flüchtlingen beim Überleben geholfen. Dann war Schluss, denn im August 2017 wurde die Iuventa im Rahmen einer "Routinekontrolle" von der italienischen Regierung beschlagnahmt. Der Grund war, trotz intensiver Kooperation mit der Seenotrettungsleitstelle in Rom, ein Verstoß gegen das italienische Einreisegesetz durch Mithilfe bei illegaler Einwanderung. Neben der Iuventa wurden auch weitere Schiffe von anderen NGOs beschlagnahmt, immer mit unterschiedlichen Argumentationen. "Dabei gibt es auf See die Pflicht zu retten. Ein sicherer Hafen muss so schnell wie möglich angesteuert werden. Das ist definiert durch die Menschenrechte. Und die Seenotrettung gibt es schon länger als die Flüchtlingskrise", so der Iuventa-Kapitän. Bis heute wurde keine Klage gegen die Organisation oder einen der RepräsentantInnen erhoben.
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Zu Gast bei der Podiumsdiskussion, die von Franziska Troger von München TV moderiert wurde, waren an diesem Abend auch JungpolitikerInnen: Saskia Weishaupt (Landesprecherin von der Grünen Jugend Bayern), Roland Reif (Vorsitzender der Jungen Liberalen Bayern) sowie Anna Westner (Landesprecherin von der Linksjugend Bayern), die zum Iuventa-Team sagte: "Es ist gut, dass es euch gibt, aber gleichzeitig traurig, dass es euch geben muss." Wichtig sei es, da waren sich die PolitikerInnen einig, dass es genügend staatliche Seenotrettungen gibt, da die Hilfeleistung nicht durch privat Engagierte aufgefangen werden kann. Dabei sei entscheidend, so Saskia Weishaupt, dass der Kern der Problematik nicht vom Radar verschwindet: "Man muss sich fragen, warum Menschen flüchten. Da müssen ganz große Zusammenhänge gedacht werden."
"Wichtig ist auch, dass man weiß, dass die Leute nicht freiwillig auf die Schlauchboote steigen. Die Schlepper zwingen sie dazu. Wenn sie ihr Land verlassen, haben sie in Libyen keine Rechte mehr und werden als Zwangsarbeiter beschäftigt. Das ist eine One-Way-Reise", betont Funke.
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Erlebnisbericht eines Flüchtlings
Der emotionale Höhepunkt des Abends war der Besuch von Filimon Mebrhatom. Einst half ihm ebenfalls ein Rettungsschiff im Mittelmeer beim Überleben. Bis heute verbindet ihn eine Freundschaft mit der Iuventa-Crew. Über seine Erlebnisse auf der Flucht schreibt er ein Buch, aus dem er während der Podiumsdiskussion vorlas.
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Der junge Mann war mit 14 Jahren aus Eritrea in Afrika geflüchtet, weil in seinem Land ein freies Leben nicht möglich war. "Keine Hoffnung, nur Unterdrückung", so Mebrhatom. Seine Schwester ertrank bei der Flucht, beide konnten nicht schwimmen. Auf die Frage, wie es ihm heute in Europa geht, antwortet er: "Manchmal fühle ich mich frei hier, manchmal nicht. Und ganz ohne Familie, fühle ich mich auch oft alleine." Dennoch ist Mebrhatom glücklich, am Leben zu sein: "Ich dachte, ich sterbe im Mittelmeer. Dank eines Rettungsschiffs ist es nicht passiert. Ich habe viel Respekt für das, was die NGOs leisten. Denn Mensch ist Mensch. Jeder verdient es, gerettet zu werden."
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Mirja Fürst