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Sounddesign für Sicherheit und Markenidentität
Interview der W&V mit Prof. Dr. Stefan Sentpali
06/05/2021
Es gibt Geräusche, die nicht gehört werden wollen und es gibt solche, die gehört werden sollen. Gerade beim Thema E-Mobilität spielen Lautlosigkeit und gewollte Geräusche eine wichtige Rolle für die Markenidentität sowie für die Sicherheit im Straßenverkehr.
Im Gespräch mit Manuela Pauker von der W&V erläutert Prof. Dr. Stefan Sentpali, Studiengangsleiter des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Ingenieurakustik
an der Hochschule München, was die Herausforderung, Fahrzeugen Gehör zu verschaffen, für die Hersteller bedeutet. Das komplette Interview kann online im W&V+-Bereich gelesen werden, Auszüge dürfen wir hier mit freundlicher Genehmigung der Autorin veröffentlichen:
„Herr Sentpali, bisher ging es den Autoherstellern darum, ihre Fahrzeuge möglichst leise zu machen. Mit den Elektroautos ist das völlig anders: Jetzt muss man die lautlosen Mobile hörbar machen – was der Gesetzgeber ja auch vorschreibt. Sowohl für Autobauer als auch Akustiker wie Sie ist das eine ganz neue Situation.
Ja, genau. Und es wird sogar schon überlegt, die Verordnungen auf Elektromotorräder und -roller auszuweiten. E-Roller gibt es ja jetzt schon. Elektrofahrzeuge haben alle das gleiche Problem, dass sie beim Losfahren kaum gehört werden. Erst wenn ein E-Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 20 bis 30 km/h erreicht, wird es durch das Reifenrollgeräusch von Passanten wahrgenommen. Ab 60 bis 80 km/h überwiegen sogar die Rollgeräusche der Reifen – dann sind auch Elektrofahrzeuge nicht leiser als solche mit Verbrennungsmotor.
Im Stadtverkehr ist das ja eher nicht der Fall.
Dort benötigt man eine Signalwirkung als Warngeräusch, die beispielsweise auch für blinde und sehbehinderte Menschen wichtig ist. Es geht also nicht unbedingt darum, ein Auto einfach laut zu machen. Man muss es wahrnehmen, aber es soll angenehm wahrnehmbar sein. Man sollte auch zuordnen können, dass es ein Fahrzeug ist – das fordert der Gesetzgeber. Laut AVAS-Vorschrift – Acoustic Vehicle Alerting System – muss ein Mindestgeräuschpegel von 56 Dezibel bei Fahrzeuggeschwindigkeiten bis zu 20 km/h und im Rückwärtsgang erreicht werden. Dies entspricht einer normalen Unterhaltung zweier Personen. Es darf aber nicht lauter sein als ein bestimmter Maximalpegel, der bei 75 Dezibel liegt. Eben gerade so viel, dass man es im Stadtverkehr noch heraushören kann. […]
Heißt das zugleich, dass Autohersteller mit Geräuschen und Klängen für ihre Elektroautos nicht frei experimentieren können, sondern sich an gelernten Klängen orientieren müssen?
Ja, der Mensch hat da ganz klare Vorstellungen. Wenn so etwas einmal gelernt ist, dann kann man es auch nicht mehr so einfach verändern. Diese Klänge, die über viele Jahrzehnte hinweg entstanden sind, waren einfach da; man hat sich sozusagen durch die Bauweise ein eigenes Geräusch gezüchtet. Die Klänge wurden zwar optimiert, aber zunächst nur hinsichtlich der Lärmminderung und später erst auch das Klangverhalten. Hierzu musste die sogenannten Lästigkeiten aus dem Fahrzeuggeräuschen entfernt werden.
Und jetzt fliegt der alte Motor raus.
Und damit auch das Prägende im Außen- und Innengeräusch. Man verliert so auch ein bisschen seine Identität. Das ist für einen Sportwagen natürlich noch mal was ganz anderes als für einen Kleinwagen […] oder auch ein Nutzfahrzeug. Wenn sich jemand zum Beispiel einen Sportwagen gönnt, ist das natürlich verbunden mit ganz bestimmten akustischen Vorstellungen. Oder eine Limousine – da will man es eher leise komfortabel haben. Und es geht dabei nicht nur um das Motorgeräusch.
Sondern?
Auch Sitz- und Spiegel-Verstellungen, Gebläse, Klappen, Schalter, Türen. Hier spielt unsere Vorstellung von akustischer Wertigkeit, Haptik und Design eine große Rolle. Wenn alle Sinneseindrücke stimmig sind und zum Produkt passen, spricht man von synästhetischem Design oder einfach nur Synästhesie. Das ist dem subjektiven Empfinden des Menschen geschuldet, seiner Gefühlswelt und unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen. Oft hören wir ein Funktionsgeräusch, fassen das Gerät an und begutachten mit unseren Augen gleichzeitig das Design. Man verkauft immer gleichzeitig mehrere sogenannte kundenwerte Eigenschaften. Und die bestehen aus objektiv messbaren Größen wie Gewicht und eben auch subjektiven, wie Schwingungskomfort und Geräusch. Es gibt eigentlich keinen rationalen Grund, ein Auto hübsch zu machen. Die Menschen könnten auch mit einem hässlichen Auto von A nach B fahren. Aber die verkaufen sich eben nicht.“
Interview auf der W&V-Webseite (Abo-Bereich)
Johanna Bronek
Weiterbildungszentrum