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Suchtbehandlung in virtuellen Welten

HM-Forscherteam entwickelt Sensorik und VR-Software für Therapie von Alkoholsucht
01/02/2022
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Der klassische Fall: Eine Patientin oder ein Patient mit Alkoholabhängigkeit unterzieht sich nach der akutmedizinischen Entgiftung einer stationären Entzugsbehandlung in einer Fachklinik. Das Trainieren der Bewältigung von gefährdenden Situationen, in denen PatientInnen ein Verlangen nach dem Suchtmittel verspüren, ist zentral für den Erfolg einer Entzugsbehandlung. Genau hier setzt die Arbeit des HM-Forscherteams um Prof. Dr. Christian Hanshans gemeinsam mit Partnern der Universitätsklinik Würzburg und der LMU an. Die Forschenden entwickelten einen Prototyp zur VR-basierten Suchtbehandlung unter Einsatz von Bio- und Neurofeedback.
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Expositionstherapie in virtuellen Umgebungen
Mit Hilfe von Virtual Reality (VR) und geeigneter Sensorik möchten die Forschenden der HM einerseits Bewältigungsstrategien vermitteln und ihren positiven Effekt messen, aber auch typische Gefahrensituationen üben. Für die Konfrontation mit dem Suchtmittel Alkohol konstruierten die Forschenden einen virtuellen Supermarkt, in dem die PatientInnen eine Einkaufsliste abarbeiten sollen. Sie sind mit kabellosen Sensoren ausgestattet und setzen eine VR-Brille auf.
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Die Technik der Sensorik und die VR-Software entwickelten die Forschenden der HM. Durch Steuereinheiten („Controller“), die der Teilnehmende in den Händen hält, kann er mit den gezeigten Gegenständen und der virtuellen Umgebung interagieren und Artikel in den Einkaufskorb oder auf das Kassenband legen. Die Software des Teams passt sich dabei automatisch an dessen Bedürfnisse an, dokumentiert den Therapieerfolg oder zeigt mögliche Defizite. Sie erkennt den aufkommenden Suchtdruck anhand der begleitenden physiologischen Messungen. Die Simulation wird daraufhin entweder bezüglich der Reizintensität an die PatientIn angepasst oder alternativ zugunsten des Bewältigungsszenarios unterbrochen. Im Gegensatz zur klassischen Expositionstherapie können durch die virtuelle Realität auf Knopfdruck eine Vielzahl, auch individuell, angepasster „Trigger“ in VR für die PatientInnen erzeugt werden.
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Biofeedback verbessert die Therapie
Während der Exposition überwachen die TherapeutInnen jeden virtuellen Schritt der PatientInnen und die physiologisch relevanten Parameter über einen Kontrollmonitor. Wie bei einem Flugsimulator kann die Exposition in einem geschützten Umfeld beliebig oft trainiert werden. Die Sensorik misst als Biosignale die Herzfrequenzvariabilität (HRV) und die die Atemfrequenz, beides Indikatoren für die Anpassungsfähigkeit an körperliche und mentale Anforderungen in der Expositionssituation. Die Messergebnisse helfen dabei, die Wirksamkeit zuvor erlernter Bewältigungsstrategien zu überprüfen sowie die Compliance und dauerhafte Motivation zur Abstinenz für die PatientIn erhöhen.
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Im Vergleich zur Exposition mit dem Suchtmittel nur unter ärztlicher oder therapeutischer Aufsicht, können PatientInnen mit VR auch in Eigenregie – und künftig womöglich zu Hause – ihre Bewältigungsstrategien trainieren. Aktuell beschäftigt sich die Forschung an der HM mit (neuro-)physiologischen Messmethoden, der Interaktion zwischen PatientIn und Software und vor allem der Wirksamkeit VR-gestützter Therapie.
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Weitere Informationen: Weitere Forschungsfelder im BioMedLab der HM finden Sie auf den Webseiten der Fakultät für angewandte Naturwissenschaften und Mechatronik.
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Amanda Shala