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Strategien zur Steigerung der Lebensqualität
Ein Interview mit Prof. Dr. Monika Brönner zum Welt-Alzheimertag
20/09/2022
Hochschule München: Am 21. September ist Welt-Alzheimertag – warum sollten wir nicht nur an diesem Tag über die Krankheit sprechen?
Monika Brönner: Wir sollten über die Alzheimer-Krankheit sprechen, da sie eine große Bedeutung für die Gesundheit der Betroffenen und auch deren Angehörigen hat. Es handelt sich dabei um eine hirnorganische Erkrankung, die zum Abbau der Nervenzellen und zum Untergang der Nervenzellkontakte führt. Diese Veränderungen führen zu fortschreitenden Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten und der Alltagsfunktionen. Dazu gehören auch Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, Sprachstörungen, Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit. Weltweit sind etwa 55 Millionen Menschen von Demenz-Erkrankungen betroffen, in Deutschland fast 1,8 Millionen. Die häufigste Ursache dafür ist die Alzheimer-Erkrankung. Und die Zahlen werden aufgrund der demographischen Entwicklung voraussichtlich weiter steigen. Ein Großteil der Erkrankten wird in häuslicher Umgebung von Angehörigen betreut und gepflegt, weshalb es wichtig ist, dass Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten bekannt und greifbar sind und die Entstigmatisierung der Erkrankung gefördert wird.
HM: Welche Rolle nimmt psychische Gesundheit für an Alzheimer Erkrankte ein?
Monika Brönner: Hirnorganische Veränderungen im Rahmen der Alzheimer-Erkrankung können auch zu psychischen Symptomen wie Depression, Angst, Wahnvorstellungen und Halluzinationen führen. Mit entsprechender Therapie und vor allem einem demenzsensiblen Umgang können diese Symptome wirksam behandelt werden und zu einer Verbesserung der psychischen Gesundheit und der Lebensqualität bei Betroffenen und Angehörigen beitragen. Hier setzt unter anderem auch die Bayerische Demenzstrategie an, die sich bereits seit 2013 dafür einsetzt, die Lebensbedingungen von Menschen mit Demenz und deren Angehörigen sowie deren Teilhabemöglichkeiten zu verbessern.
HM: Welche aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse könnten Angehörigen eine Stütze sein?
Monika Brönner: Bei Alzheimer-Erkrankungen liegt der Fokus auf nicht-medikamentösen Therapiestrategien und gerade hier gibt es großartige Chancen. Gleichzeitig ist Bewegung in die fachliche wie auch in die gesellschaftliche Diskussion gekommen und es gibt hoffnungsvolle Strategien und Projekte. Diese können u.a. die Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen deutlich verbessern und im besten Fall auch den Beginn der Erkrankung verzögern oder verhindern.
So soll beispielsweise die Nationale Demenzstrategie, die die Bundesregierung 2020 verabschiedet hat, zur Verbesserung der Lebenssituation von Erkrankten und Angehörigen führen, und zwar u.a. mit Hilfe von Konzepten zur Gestaltung einer Beratung in Hausarztpraxen. Hier spielen die Weiterbildung von speziellen Versorgungsassistent:innen sowie die Fokussierung auf die gemeinsame Versorgung durch Hausärzte, Fachärzte und begleitende Dienste wichtige Rollen. In Landesärztekammern kommen Demenzbeauftragte zum Einsatz und in allen Krankenhausbereichen eine demenzsensible Krankenhausbehandlung.
Darüber hinaus können Risikofaktoren für Demenz heute früher identifiziert und entsprechend behandelt werden. Das sind beispielsweise Hypertonie, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen. Wesentlich beigetragen zur Risikofaktorenfrüherkennung und -behandlung hat in Deutschland das Projekt INVADE (Intervention gegen vaskuläre Hirnerkrankungen und Demenz im Landkreis Ebersberg), dessen Ziel die Vorbeugung von Schlaganfällen und Demenzerkrankungen durch die systematische und konsequente Behandlung von Risikofaktoren in der hausärztlichen Praxis ist, und mittlerweile seit über 20 Jahren im Landkreis Ebersberg durchgeführt wird.
Zudem möchte ich in diesem Zusammenhang auch die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz (DAlzG) erwähnen, die sich für ein besseres Leben mit Demenz einsetzt und (neben der Öffentlichkeitsarbeit) Erkrankten und ihren Familien eine Vielzahl an Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten anbietet.
Prof. Dr. Monika Brönner hat die Professur Psychische Gesundheit und soziale Teilhabe an der Hochschule München inne und lehrt im Weiterbildungsmaster Mental Health das Modul „Mental Health für Menschen mit altersbedingten Störungen“.
Johanna Bronek
Weiterbildungszentrum