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Wohin steuern Europäische Zentralbank und deutsche Wirtschaft?

Ein Vortrag des langjährigen Wirtschaftsweisen Prof. Dr. Peter Bofinger
13/10/2022
Peter Bofinger sprach im gut gefüllten „Roten Würfel“ der HM über das Dilemma der Europäischen Zentralbank (EZB) zwischen Preisstabilität und Wirtschaftswachstum. Von 2004 bis 2019 war er einer der fünf Wirtschaftsweisen. Aktuell ist er Seniorprofessor für Volkswirtschaftslehre, Geld und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Würzburg.
Eingeladen hatte ihn an die HM Prof. Dr. Oliver Hülsewig, der allerdings am Tag des Vortrags erkrankt war. An seiner Stelle moderierte Prof. Dr. Christian Holzner das Programm. In seiner Begrüßung freute sich HM-Präsident Prof. Dr. Leitner über Besuch und Vortrag: „Wir haben hier eine große Tradition mit wichtigen Themen, die auch für die Öffentlichkeit relevant sind. Unsere Türen sind wieder offen und alle können teilnehmen, in Präsenz.“
Schwierige Situation
Herr Bofinger sprach von einer sehr schwierigen Situation für die Notenbänker. „Wir haben 10% Inflationsrate, das ist für deutsche Verhältnisse enorm hoch.“ Im Gegensatz zu manchen anderen Ökonomen sieht er die Ursachen nicht in der „Niedrigzinspolitik“ der EZB. Es sind äußere Gründe wie Krieg, Rohstoffpreise und Schwierigkeiten in den Lieferketten, die die Inflation treiben und unserer Wirtschaft Schwierigkeiten machen.
Die Gründe der Inflation
„Inflation ist in Kriegsphasen völlig normal“ stellt Bofinger fest, das gelte für alle Kriege mit globalen Auswirkungen auf die Rohstoffmärkte und sei auch jetzt mit dem Ukraine-Krieg der Fall. Die Höhe der Verbraucherpreise und der Inflation sind immer an die Rohstoffpreise gekoppelt. Hinzu kommen noch die durch COVID-19 entstandenen Belastungen für Logistik- und Wertschöpfungsprozesse. „Diese Angebotsschocks sind sehr garstig“ erläutert Bofinger. Sie verursachen Rezession und Inflation. Um eine Verstetigung hoher Preissteigerungen zu verhindern, bleibt den Notenbänkern aber nichts anderes übrig als das Wirtschaftswachstum durch Zinserhöhungen weiter zu schwächen.
Die Europäische Zentralbank handelt
Die EZB hat sich für eine entschlossene Handlungsweise entschieden und die Zinsen massiv erhöht. Diese Therapie ist schmerzhaft, aber notwendig, um die Inflation wieder zu senken. Bofinger zitiert Jerome Powell, den Präsidenten der amerikanischen Federal Reserve: „Höhere Zinssätze, langsameres Wachstum und ein schwächerer Arbeitsmarkt werden zwar die Inflation senken, aber sie werden auch den Haushalten und Unternehmen Schmerzen bereiten. Dies sind leider die Kosten des Inflationsabbaus". Es gibt aber auch Hoffnung. Langsam zeichnet sich ab, dass die Energiepreise nicht weiter steigen. Wenn es zu keiner nennenswerten Lohn-Preis-Spirale kommt, wird das die Inflation dämpfen.
Gute Noten
„Ich bin der Meinung, dass die EZB das bis jetzt gut gemacht hat“, erklärt Bofinger. Man müsse nur einmal betrachten, dass die Staatsverschuldung im Euroraum um die Hälfte niedriger ist als in den USA. Eine Währungsunion mit 19 unabhängigen nationalen Fiskalpolitiken sei nicht einfach, aber er ist optimistisch für die zukünftige Entwicklung und denkt, dass die EZB die Probleme lösen wird.
Nach der Veranstaltung im Hörsaal der HM nahm sich Peter Bofinger noch Zeit für Fragen der Besucher.
Interessenten können sich den vollständigen Vortrag auf dem YouTube-Kanal der HM ansehen.
Ralf Kastner