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„Demokratie in der Digitalen Transformation“

Vortrag von Prof. Julian Nida-Rümelin zum Einfluss neuer Technologien auf das Demokratieverständnis
18/10/2023
Die Digitalisierung stellt uns vor völlig neue Herausforderungen – doch ändert es auch unser Verständnis von Demokratie? Und, wenn ja, welche Änderungen sind zu beobachten? Zu dieser aktuellen Thematik referierte Prof. Dr. Dr. h. c. Julian Nida-Rümelin im „Roten Würfel“ der HM. Der ehemalige Kulturstaatsminister und emeritierte Philosophie-Professor der LMU stellte in seinem Gastvortrag „Demokratie in der Digitalen Transformation“ seine Kernthesen vor und argumentierte für einen humanistischen Umgang mit der Digitalisierung.
Zum Demokratiebegriff – eine philosophische Einordnung
Nida-Rümelin betonte die Notwendigkeit einer Begriffsklärung und näherte sich dem Demokratieverständnis zunächst aus philosophischer Sicht. So hielt er fest, dass das Mehrheitsprinzip für eine Demokratie wichtig sei, als Mindestanforderung aber auch die Legitimität der Annahme, dass gleiche Rechte für alle herrschten. So kommt der Redner zu seiner Definition: „Demokratie ist eine spezifische Form der kollektiven Selbstbestimmung mit einer wechselseitigen Anerkennung von Freiheit und Gleichheit.“ Die Überleitung zur digitalen Transformation stellt er über den Kulturaspekt her – nach Nida-Rümelins Auffassung würde dieser vernachlässigt, obwohl die spezifische Kultur ausschlaggebend sei, um Demokratie herzustellen und in ihr zu leben.

Was ändert sich durch die digitale Transformation?
Nach Nida-Rümelins Einschätzung steht mit der digitalen Transformation die Begründung einer repräsentativen Demokratie in Frage, denn es lässt neue Entscheidungs- und somit Demokratieprozesse zu. Vor allem der erleichterte Zugang zu Informationen verbessere die Inklusivität, verringere Hierarchien und wirke sich so positiv auf Demokratie aus. Jedoch warnt Nida-Rümelin auch vor den Gefahren einer neuen Aufmerksamkeitslogik, in der radikale und extreme Thesen eine Verrohung der Diskurse begünstigten. Zudem fände ein Prozess der Verschiebung statt von einer gemeinsamen Öffentlichkeit hin zu einer Personalisierung der Öffentlichkeit, was unter dem Begriff „Informationsblase“ bekannt geworden sei.
Demokratische Praxis bereichern – wie geht das?
Digitaler Humanismus – so lautet der Begriff, den Nida-Rümelin auch mit seinem Buch prägte. Aus dieser Perspektive heraus plädiert er für eine Alternative zur „Silicon-Valley-Ideologie“, für die künstliche Intelligenz zum Religionsersatz zu werden drohe. Der Redner betonte die Notwendigkeit für Plattformen, die nicht kommerziell motiviert sein und nicht einem Monopol von US-Großkonzernen unterliegen sollten. Stattdessen fordert er eine öffentliche Verantwortung und Verwaltung ein, um Demokratieentwicklung zu schützen.
Constance Schölch
