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Weltfrauentag: von der Hauswirtschafterin zur Astrophysikerin
Der Weg von Christine Greif zur HM-Professorin
08/03/2024
Prof. Dr. Christine Maria Greif machte nach der Mittleren Reife eine Hauswirtschaftslehre und entschied nach einem Auslandsaufenthalt als Au Pair dann Physik und Astronomie zu studieren. Sie ist Professorin für natur- und ingenieurwissenschaftliche Grundlagen im Studiengang Energie- und Gebäudetechnik an der HM und übernimmt ab dem Sommersemester dort die Studiengangsleitung.
Sie haben eine Karriere in einem männerdominierten Bereich eingeschlagen. Vor welche Herausforderungen hat Sie das gestellt und wie sind Sie mit diesen umgegangen?
Schon auf der BOS im Technikzweig war ich die einzige Frau in der Klasse. Doch damals fand ich das erfrischend und habe kein Problem gesehen. Mir richtig bewusst wurden die gravierenden Ungleichheiten - obwohl sie schon lange vorher bestanden - erst, als ich mit meinem ersten Kind schwanger war. Da habe ich schnell gemerkt, dass mir als werdende Mutter kein Verständnis entgegengebracht wird, ganz im Gegenteil – meine akademische Karriere stand plötzlich auf der Kippe. Ich ließ mich trotzdem nicht beirren und verfolgte weiter meinen Traum Professorin zu werden. Geschafft habe ich das nur mit der Unterstützung der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten (LaKoF), treuen Mentoren und dank des Engagements meines Mannes.
Wie wirkt sich Ihrer Erfahrung nach, die Rollenverteilung im familiären Kontext auf die beruflichen Möglichkeiten von Frauen aus? Wie kann die Gesellschaft Frauen besser unterstützen, um berufliche und familiäre Ziele besser zu vereinbaren?
Der Weltfrauentag bietet die Gelegenheit Rollenbilder und ihren Einfluss auf Karrierewege von Frauen und Männern zu reflektieren und hinterfragen. Mein Weg in die Forschung und Lehre wäre ohne die Unterstützung meines Mannes, der entgegen traditioneller Rollenbilder mehrere Jahre Elternzeit nahm, nicht möglich gewesen. Diese Entscheidung führte zu starker Kritik und Druck von außen. Ich strich meine Kinder aus den Bewerbungsunterlagen und füllte die Lücken durch Lehraufträge - aus Angst keinen Job als Professorin zu bekommen. Um Frauen effektiv zu fördern, sollten wir daher eine flexible und fortschrittliche Arbeitskultur etablieren, die eine gleichberechtigte Rollenverteilung begünstigt, und die Rolle von engagierten Müttern und Vätern als Key Skill anerkennen.
Wo sehen Sie Fortschritte, aber auch nach wie vor bestehende Hürden für Frauen in Ihrer Branche?
Fortschritte im Streben nach Gleichberechtigung in Wissenschaft und Technik sehe ich in der Zunahme von Frauen in diesen Feldern und der steigenden Sensibilität für die Thematik. Wichtig wäre die Studentinnenquoten in naturwissenschaftlichen Fächern deutlich zu erhöhen, dafür wäre es entgegen der oft postulierten Meinung wichtig, zunächst mehr Professorinnen zu berufen und somit Frauen so als role model in der Branche sichtbar zu machen – und nicht anders herum.
Bei den Berufungsverfahren gibt es nach wie vor Hürden etwa im Hinblick auf die Wahrnehmung von Kompetenz und veraltete Rollenbilder. Um diese bias-behaftete Dynamik zu überwinden, könnte beispielsweise in Berufungsverfahren geheim abgestimmt werden und nicht offen durch Handzeichen. Ferner sollte die Teilnahme der Männer an Erziehungs- und Betreuungsaufgaben normalisiert werden. Für die Zukunft der Energie- und Gebäudetechnik könnte eine größere Geschlechterdiversität nicht nur ausgewogenere Perspektiven, sondern auch innovative Lösungen und Kreativität aus einem neuen Blickwinkel bedeuten – letztlich eine Bereicherung der Branche.
Haben Sie Ratschläge für junge Frauen, die eine Karriere in ähnlich männerdominierten Feldern anstreben?
Jungen Frauen, die in männerdominierten Bereichen Fuß fassen möchten, rate ich: Baut Netzwerke auf, sucht Verbündete statt besonders andere Frauen als Konkurrentinnen zu sehen und nutzt die Herausforderungen als Sprungbrett. Einfach mal trauen und machen – eigene Ideen nicht von anderen kleinreden lassen, Gelegenheiten ergreifen und sich von Gegenwind nicht einschüchtern lassen. Wichtig dabei ist: Die eigenen Vorstellungen vertreten, auch wenn es sich als Frau vielleicht nicht „schickt“ standhaft zu bleiben.
Das Interview führte Heidi Bundschus