Pressemitteilung
Wahre Kosten: Wie Klimakosten zu Marktanreizen für eine klimafreundlichere Produktion werden könnten (PM 24/24)
Prof. Dr. Matthias Schlipf von der HM spielt Szenarien zur Schraubenproduktion und -vermarktung durch, die Möglichkeiten für deren rentable und klimafreundliche Herstellung zeigen.
30/07/2024
Die Penny-Kampagne macht es vor: Joghurt, Fleisch und Gemüse wurden zeitweise zu ihren wahren Kosten verkauft. Diese Transparenz zeigte den Kunden teilweise drastisch die unterschiedlich hohen, bisher nicht im Preis berücksichtigten, sozialen und ökologischen Folgekosten. „Einen viel größeren Hebel für eine wirtschaftliche und zugleich klimafreundlichere Produktion jedoch stellen Industriegüter dar, vor allem diejenigen aus der Metallindustrie. Das haben wir am Beispiel von Schrauben in drei Szenarien durchgespielt“, sagt Prof. Dr. Matthias Schlipf, Professor an der Fakultät für Betriebswirtschaft der HM. Seine Ausgangsfrage: Wieviel CO₂-Äquivalente werden bei der Erstellung von einem Kilogramm Schrauben wirklich emittiert?
Ökologische Kosten: die Höhe der CO2-Besteuerung
Ermittelt haben Schlipf und sein Team die ökologischen Kosten für die Erstellung von Schrauben in CO₂-Äquivalenten (= CO₂e) im Verlauf ihrer vollen Wertschöpfungskette bis zum Verkaufsstandort anhand von Life-Cycle-Assessment-Ökobilanzen. Dazu gehören die Werte für die Stahlherstellung sowie die empirischen Daten zur Schraubenfertigung aus, die ein Praxispartner des Projektes zur Verfügung stellte, sowie die entsprechenden Logistikdaten.
Diese multiplizierten sie mit drei unterschiedlichen CO₂-Kostensätzen für ein Kilo Schrauben: Zunächst ging das Team von nach Daten des EU-ETS für den Industrie- und Energiesektor von 43 €/t CO₂e aus, im zweiten Fall von 195 €/t CO₂e nach Angaben des Umweltbundesamtes, welches die externen gegenwartspräferierten Kosten für das Emittieren von Treibhausgasen miteinrechnet, sowie im dritten Fall von 680 €/t CO₂e, welches die wahren Klimakosten bei vollständiger Einhaltung der Generationengerechtigkeit enthalten.
Faktoren für die ökologischen Kosten von Schrauben in drei Szenarien
Neben der CO₂-Besteuerung fließen in die drei Szenarien des Teams auch marktpolitische Faktoren ein, die für eine wirtschaftliche und klimafreundlichere Produktion ausschlaggebend sein könnten. Mögliche Faktoren dafür sind Produktionsstandort, Technologie, Energiemix und Transportkette jeweils für unterschiedliche Wertschöpfungsketten beispielsweise außerhalb und innerhalb der Europäischen Union (EU).
Angenommen wurde in Szenario eins, eine Produktion in einem Land mit laxen Umweltgesetzen, einer konventionellen Produktion mit regionaler Elektrizität sowie die Einfuhr der Schrauben in die EU. Zweites Szenario ist eine Produktion in einem hochregulierten Umfeld wie in der EU oder in Deutschland, ebenfalls mit konventioneller Produktion und lokalem Energiemix, aber kurzen Transportwegen. Schließlich das dritte Szenario, eine regionale Produktion in der EU mit Recyclingmaterial und alternativer Technologie sowie grünem Strom und regionalen Transportwegen. Hintergrund für die drei in den Szenarien angenommenen klima- und marktpolitischen Regulierungen sind zwei Thesen aus der Fachliteratur: die „Pollution Haven Hypothesis“ sowie die „Porter Hypothesis“.
Klimafreundlichere Stahlerstellung: Produktionsverfahren und klimapolitische Regulierung wichtiger als Produktionsstandort und Logistik
Die Auswertung der drei Szenarien ergibt folgendes Bild: Der Produktionsstandort und die Logistik haben nur einen geringen Einfluss auf die Dekarbonisierung der Schraubenherstellung. Denn die Analyse der Wertschöpfungskette zeigt, dass 80-85 Prozent der CO₂-Kosten, und damit auch der wahren Kosten, von der Art des Produktionsprozesses der Stahlproduktion beispielsweise via Hochofen herrühren. Die Verwendung von Recyclingstahl ist deshalb aktuell der entscheidendste Faktor für eine klimafreundlichere Schraubenerstellung, da dieses Verfahren die wahren Kosten um 75 Prozent senken könnte.
Wegen der derzeit noch niedrigen CO₂-Steuern, welche die heutigen Marktpreise von Schrauben als „wahre Kosten“ nur um ein Prozent verteuern würden, ist diese Form der Besteuerung derzeit noch kein ausreichender Hebel, um Investitionsanreize in eine klimafreundlichere Produktion zu schaffen. Das macht das Ausweichen in Länder mit laxer Umweltgesetzgebung heute noch wirtschaftlich. „Unser Ergebnis ist, dass erst das Anheben der CO₂-Steuer sowie die strikte Einführung von grenzüberschreitender CO₂-Besteuerung in Form von Cross Border Adjustment Mechanisms (CBAM) oder “Klima-Clubs”, vor allem aber die Verwendung von Recyclingstahl und des entsprechenden Herstellungsverfahrens eine klimafreundlichere Erstellung von Stahlprodukten wirtschaftlich und attraktiv machen“, sagt Schlipf.
Gerne vermitteln wir einen Interviewtermin mit Prof. Dr. Matthias Schlipf.
Kontakt: Christiane Taddigs-Hirsch unter 089 1265-1911 oder per Mail .