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Krisenfest im Alter
Prof. Dr. Stefan Pohlmann erforscht, inwiefern Menschen über 70 Jahren Vorbilder in der Bewältigung von Krisen sein können
19/08/2024
Im Forschungsprojekt CourAGE führte HM-Professor Stefan Pohlmann der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften ausführliche Interviews mit älteren Menschen. Der Fokus in den Gesprächen lag darauf, inwiefern die Interviewten in historisch herausfordernden Zeiten als Vorbilder dienen können. Finanziell unterstützt hat das Projekt die Hans Sauer Stiftung.
Kriege, Klimawandel, Ressourcenknappheit: Was können wir alle angesichts der globalen Herausforderungen vom Alter lernen?
Die genannten Veränderungen tragen zu einer großen gesellschaftlichen Verunsicherung bei. Viele Menschen fühlen sich aufgrund der elementaren Herausforderungen unserer Zeit orientierungslos. Zu sehen, wie gerade vermeintlich geschwächte Menschen erfolgreich mit Belastungen umgehen, wirkt wie eine grundsätzliche Inspiration und Kraftquelle für diejenigen, die am Weltgeschehen und der eigenen Verletzlichkeit zu verzagen drohen.
Was sind wichtige Resilienzfaktoren?
Es gibt kein Patentrezept zur Bewältigung von Lebensaufgaben. Dennoch lassen sich einige übergreifende Mechanismen erkennen: Die Bewertung, die Ursachenzuschreibung und die Einordnung von Lebensereignissen bilden wichtige Variablen bei der Bewältigung. Viele der befragten Personen sind in der Lage, brachliegende Reserven realistisch zu nutzen und unveränderliche Dinge zu akzeptieren. Eine rückblickende positive Lebensbilanzierung erleichtert zudem die Sicht auf die Zukunft. Ein weiterer wichtiger Schutzfaktor ist zweifellos ein funktionierendes soziales Netzwerk. Wenn es alten Menschen ferner gelingt, ihren eigenen Ansprüchen zu genügen, stärkt auch dies ihre Widerstandsfähigkeit. Dazu braucht es die richtige Dosierung von Anstrengungen, das passende Timing für die Umsetzung von Zielen und zugleich Entschlossenheit, um wichtige Aufgaben zu planen, zu priorisieren oder anzupassen. Eine optimistische Grundhaltung und auch die Offenheit, sich auf neue Entwicklungen oder Personen einzulassen, zeichnen viele der in CourAGE interviewten älteren Menschen aus.
Was haben Sie persönlich für sich aus den Interviews mitgenommen?
Ein großer Teil meiner Forschung befasst sich mit den Schattenseiten des Lebens. Hier zeigen sich oftmals schmerzliche Verluste, drohende Risiken und krisenhafte Problemlagen. Diese Schwerpunktsetzung ist wichtig, darf aber nicht den Blick auf Alterspotenziale beeinträchtigen. Die im Projekt beteiligten Personen verdeutlichen, wie ein sinnerfülltes Leben trotz Beeinträchtigungen im Alter ausgestaltet werden kann. Sie sind auch für mich Blaupausen für Lebensmut und ein gelingendes Altern.
Das Interview führte Daniela Hansjakob