Feiern verbindet

Während in vielen Regionen Deutschlands der Karneval in vollem Gange ist, bleibt es in München dieses Jahr still: Die traditionellen Faschingsumzüge wurden abgesagt – aus Respekt vor den Opfern des Anschlags am 13. Februar.

Doch was bedeutet Fasching eigentlich für unsere Gesellschaft?
Prof. Dr. Ariane Sept von der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften forscht zu sozialem Zusammenhalt in Stadt und Land und erklärt im Interview, wie Karneval als soziales Ritual zur Stärkung von Netzwerken und zwischenmenschlichen Beziehungen beiträgt.

HM: Warum feiern wir Karneval?
Sept: Zum einen ist es Tradition mit verschiedenen historischen Ursprüngen – wir feiern, weil es immer schon so war. Zum anderen ist Karneval ein Fest, das Menschen aktiv zusammenbringt: Viele bereiten sich wochenlang darauf vor, basteln Kostüme, bauen Wagen oder organisieren Veranstaltungen. Gerade in kleineren Orten begegnet man sich dabei oft in ungewohnten Konstellationen – mit Menschen, die man sonst kaum sieht.

HM: Welche Funktion hat das für ein Gemeinwesen?
Sept: Schon die gemeinsame Vorbereitungszeit ist bedeutsam, und der Karneval kann vorübergehend soziale Grenzen aufheben: Hierarchien werden auf den Kopf gestellt, Rollen vertauscht. Die Schüchterne führt den Umzug an, der Bürgermeister trägt plötzlich ein Narrenkostüm. Diese spielerische Umkehrung schafft eine besondere Dynamik und ermöglicht Begegnungen außerhalb des Alltags.

HM: Welche Rolle spielt die Jahreszeit?
Sept: Fasching bringt Licht und Geselligkeit in die dunklen Wintermonate, eine Zeit, in der viele Arbeiten – etwa in der Landwirtschaft – ruhen. Historisch war es auch ein Moment des Übergangs: Vor der Fastenzeit wurden Lebensmittelvorräte aufgebraucht, daher kommt etwa das traditionelle Schmalzgebäck.

HM: Was bleibt vom Karneval, wenn er ausfällt?
Sept: Feste sind Ausnahmesituationen, auf die Menschen hinarbeiten und die im Alltag Struktur geben. Wenn sie nicht stattfinden, fehlen diese Momente des gemeinsamen Erlebens. Aber oft bleiben die Netzwerke bestehen: Die, die sich sonst um den Karneval kümmern, treffen sich vielleicht trotzdem – und aus Tradition kann auch Neues entstehen.

Ein ausführliches Interview zum Thema erschien als Podcast 2021 und kann im aktuellen Magazin der Leibniz-Gemeinschaft nachgelesen werden.