Ein Blick in die Graduate School
Generative KI
Dr. Marcus Müller-Ostermaier
Wie setzen Sie derzeit generative KI in Ihrem Arbeitsalltag ein?
Marcus Müller-Ostermaier: "Das Team der Graduate School hat ChatGPT getestet, war bislang mit den Ergebnissen jedoch nicht zufrieden. Wir werden dies weiter verfolgen, alternative Tools und neuere Versionen testen sowie den Einsatz überprüfen, sowohl für die eigenen Aufgaben der Graduate School als auch für die Nutzung durch den wissenschaftlichen Nachwuchs an der HM. Man muss sich ja klar machen, dass selbst die aktuellen Versionen mit einem alten Wissensstand und Quellenbestand arbeiten. Mit einem Echtzeit-Internetzugriff werden diese Probleme abnehmen und sich die Leistungen nochmal enorm steigern."
Inwieweit verändert KI das wissenschaftliche Arbeiten?
Marcus Müller-Ostermaier: "Wissenschaftliches Arbeiten unterlag schon immer Veränderungen einerseits der Ansprüche an das wissenschaftliche Arbeiten der jeweiligen Zeit, andererseits der jeweiligen Rahmenbedingungen bspw. hinsichtlich der Infrastruktur und der eingesetzten Instrumente. Die fortschreitende Digitalisierung hat daran einen großen Anteil. Haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor einigen Jahren noch viel Aufwand damit betrieben, die verwendete Literatur und Quellen vollständig und einheitlich aufzulisten, zu verwalten und anlassbezogen korrekt zu zitieren, übernehmen dies heute Literaturverwaltungsprogramme. Mussten früher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit Museumsobjekten arbeiteten, aufwendige Auslandsreisen auf sich nehmen, so genügen für die meisten Fragestellungen die bereitgestellten digitalen Fotografien. Nun schreibt KI sauber formulierte Texte zu konkreten Aufgabenstellungen. Dies irritiert uns aus unterschiedlichen Gründen. Für das wissenschaftliche Arbeiten stellt sich die Frage, ob ein eigener Beitrag überhaupt noch erbracht wird oder gar notwendig ist. Doch schon länger unterstützen uns bei Rechtschreibung, Schreibstil und Übersetzungen nützliche Softwareprodukte, wobei im Hintergrund teilweise bereits KI eingesetzt wird, ohne dass wir dies wissen oder es uns bewusst ist. Grundsätzlich ist der Einsatz jeglicher Hilfsmittel erlaubt und der Einsatz von KI langsam sogar obligatorisch. Stets muss jedoch angezeigt werden, welche Hilfsmittel wofür eingesetzt wurden, auch wenn die von der KI genutzten Quellen selbst bislang nicht dargestellt werden. Letztlich muss transparent sein, welche Teile der wissenschaftlichen Arbeit originär durch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erarbeitet wurden."
Wie beurteilen Sie Chancen und Risiken von Generativer KI?
Marcus Müller-Ostermaier: "Ich empfinde es als problematisch, wenn der Fokus auf den potenziellen betrügerischen Einsatz solcher Tools liegt. Zum einen gehört der Umgang und der Nutzen von KI-Werkzeugen zur zukünftigen Arbeitsweise, voraussichtlich in allen Arbeitsbereichen. Deshalb sollten wir auch in der Ausbildung und der Qualifizierung unserer Studierenden und Promovierenden Wert darauf legen, dass sie entsprechende Kompetenzen aufbauen. Zum anderen verdeckt dies die Chancen, die wiederum für alle Arbeits- und Lebensbereiche damit verbunden sind. Sparen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler viel Zeit bei handwerklichen Aufgaben (siehe Frage 2), so besitzen sie mehr Zeit für komplexere Aufgaben. Und wenn eine KI wiederum bei diesen komplexeren Aufgaben unterstützt, so bringt dies doch letztlich den Wissenserwerb voran. Wissenschaft beschränkt sich ja nicht auf die Beweisführung der persönlichen Kompetenzen, sondern soll generell neues Wissen erschließen und hervorbringen."
Dr. Marcus Müller-Ostermaier leitet die Graduate School der Hochschule München.