Warum müssen arme Menschen früher sterben als reiche?
Arme Menschen sind ungesünderen Wohn- und Arbeitsverhältnissen ausgesetzt. Sie verfügen über weniger positive Einstellungen zu sich selbst oder unterstützende soziale Netzwerke, die ihre Gesundheit fördern könnten. Außerdem werden sie häufiger schlechter medizinisch versorgt und verhalten sich öfter ungesünder.
Zu diesem Thema forscht HM-Professor Christian Janßen von der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München. Das Mindsnacks-Team hat ihm dazu ein paar Fragen gestellt.
Warum sterben arme Menschen früher als reiche?
Arme Menschen müssen früher sterben, weil sie ungesünderen Belastungen am Wohnort (z. B. durch Verkehrslärm, Autoabgase, weniger Grünflächen und Schimmel in der Wohnung) und am Arbeitsplatz (z. B. durch Staub- und Lärm, körperliche und psychische Belastungen u.a. durch prekäre Beschäftigung) ausgesetzt sind. Sie verfügen in der Regel über weniger gesundheitsförderliche Ressourcen wie z. B. eine positive Einstellung zur eigenen Gesundheit und das Wissen, dass man diese selbst beeinflussen kann. Gleichzeitig erhalten sie weniger Unterstützung durch soziale Netzwerke im Krankheitsfall. Außerdem ist häufig ihre medizinische Versorgung aber auch die Inanspruchnahme von präventiven Maßnahmen schlechter. Deutlich wird das z. B. bei der Terminvergabe, der Kommunikation und der Compliance (also der Befolgung des ärztlichen Rats). Der wichtigste Grund sind jedoch Unterschiede bei den gesundheitsbezogenen Risikofaktoren wie Gewicht, Rauchen, Alkohol, Bewegung und Ernährung. Arme Menschen verhalten sich in allen Bereichen durchschnittlich ungesünder.
Wie groß sind die Unterschiede in der Lebenserwartung?
Derzeitige Studien des Robert Koch-Instituts belegen einen Unterschied von 4,4 Jahren bei Frauen und 8,6 Jahren bei Männern zwischen Menschen, die als „arm“ gelten (d. h. weniger als 60 % des durchschnittlichen Einkommens verdienen) und denen, die mehr als 150 % des mittleren Einkommens verdienen. Diese Unterschiede sind für alle westlichen Industrienationen so schon seit den 1970er Jahren belegt.
Was müsste sich ändern, damit arme Menschen nicht früher sterben als reiche?
Präventionsmaßnahmen müssen neu gedacht und umgesetzt werden, damit sie da ankommen, wo man sie am dringendsten benötigt und so Ungleichheiten bei gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen abschwächen. Zu konkreten Maßnahmen zählt zum Beispiel eine Städteplanung, die gesundheitsförderliche Wohnbedingungen für alle Bevölkerungsgruppen von Anfang mitdenkt. Oder eine betriebliche Gesundheitsförderung, die soziale Unterschiede bei den Belastungen am Arbeitsplatz berücksichtigen und versucht, diese auszugleichen. Helfen kann auch eine aktive Förderung sozialer Netzwerke, wie Stadtteilarbeit oder Nachbarschaftshilfen. Schließlich verspricht ein früher Ansatz in Schulen, z. B. durch einen Gesundheitsunterricht, präventiv Kindern eine positive Einstellung zum eigenen Körper und zur eigenen Gesundheit zu vermitteln.
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